Herzliche Grüße von Haus zu Haus

Liebe Leserin, lieber Leser,

Kennen Sie Prüfungsangst? Dieses merkwürdige Gefühl, dass man sich selbst und die Situation nicht mehr im Griff hat? Diese Angst zu versagen, nichts mehr zu wissen, sich zu blamieren? Weil man sich in einer Situation befindet, in der man geprüft wird; in der das eigene Wissen abgefragt und beurteilt wird.
Und gibt es eigentlich die „Prüferangst“? Die Angst desjenigen, der den/ die anderen prüfen und beurteilen soll? Das wäre dann vermutlich
die Angst davor, einen Menschen und das, was er weiß oder eben nicht weiß, falsch zu beurteilen. Und wie könnte eine solche Angst entstehen? Vielleicht dann, wenn der „Prüfer“ sich selbst nicht sicher ist, was die richtige Antwort ist. Oder ob er der Beurteilung überhaupt gewachsen ist.

Die Jahreslosung aus dem 1. Thessalonicher-Brief fordert uns nun genau dazu auf: „Prüfe alles … !“
Muss uns angesichts einer solchen Aufforderung der Schreck in die Glieder fahren? Muss die Angst vor der „Prüfung“ von uns Besitz ergreifen? Ich denke nicht. Vielmehr scheint sie doch eine Ermunterung zu sein. Eine Ermunterung, sich immer wieder zu hinterfragen. Den Kompass auszupacken und zu prüfen, ob ich noch auf dem richtigen
Weg bin; auf dem richtigen Weg, mit dem Ziel eindeutig vor Augen. Eine solche Richtungsüberprüfung schadet nicht – im Gegenteil, sie tut gut!

Denn letztlich fokussiert sie meinen Blick auf das Richtige, auf das Gute. Und weiß ich denn, was der richtige, der rechte Weg ist? Was das Gute ist, das ich als Ziel vor Augen behalten soll?

Im 19. Kapitel des Matthäus-Evangeliums wird Jesus vom reichen Jüngling gefragt, was er, der Jüngling, denn Gutes tun müsse, um das ewige Leben zu haben. Jesus antwortet daraufhin: „Was fragst du mich nach dem Guten? Nur einer ist der Gute. Wenn du aber in das Leben eintreten willst, halte die Gebote!“ Und Jesus zählt einige der Gebote auf und endet damit: „Und: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!“ Ja, es ist uns gesagt, was gut und wichtig ist in unserem Leben. Nämlich
das, was sich an Gottes Geboten orientiert. Und das, was mir und meinem Nächsten gleichermaßen guttut. Klingt das zu einfach und gleichzeitig zu kompliziert?

Vielleicht, aber es ist doch beruhigend zu wissen, dass wir diese Orientierungshilfe haben. Damit ist alles gesagt. Und das Schöne darüber hinaus: es wird einem jeden von uns zugetraut, diese Prüfung durchzuführen. Wir alle sind in der Lage, Prüfer zu sein. Unser Reden und Handeln immer wieder daran zu messen, ob wir damit das Gute vor Augen haben. Wir müssen keine „Prüferangst“ haben! Wir sollten uns nur immer wieder in Ruhe die Zeit nehmen, die Richtung unseres Weges wie mit einem Kompass zu prüfen. „Prüfe alles und behalte das Gute!“

Ihre Diakonin Kristin von Campenhausen